Warum eigentlich nicht? Eine aufmerksamkeitsökonomische Betrachtung
Schmuck erzeugt Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit ist heutigen Männern gefährlich.
In der bürgerlich geprägten Fleißgesellschaft wurden Männer als Leistungsträger zum kompromisslosen Erfolgsstreben erzogen. Konkurrenten müssen ausgestochen werden, die eigene Verteidigung darf keine Lücken aufweisen. So darf z.B. niemals der Eindruck entstehen, man würde sich über die in der Rangfolge über einem stehenden Männer erheben wollen. Die Grenze des Schmückens wird durch die eigenen 'Vorgesetzten' bestimmt, wobei allzu auffälliger Schmuck auch abseits der persönlichen Hierarchie als Herausforderung aufgefasst werden kann.
Ein weiteres und von mir auch oft vorgebrachtes Problem dürfte sein, dass mehr Aufmerksamkeit auch mehr Kritik hervorbringt. Mittelmaß ist unauffällig -- man kriegt zwar kaum Komplimente oder positive Kritik, dafür aber auch keine Beleidigungen oder negative Kritik. Man darf durch das eigene Auftreten nur keine Leidenschaften wecken, denn diese lösen die Zungen der Kritiker. Und negative Kritik muss im Falle des Mannes, der immer Stärke und Souveränität vermitteln soll, immer auch als ein Angriff auf die eigene Verteidigung und als Aberkennung der eigenen Stärke gesehen werden.
Heutige Männer können schlecht mit Kritik umgehen, weswegen sie schlecht mit Aufmerksamkeit umgehen können. Ob es zu anderen Zeiten besser war, vermag ich nicht zu sagen. Hinzukommt, dass es berechtigte Zweifel daran gibt, ob Frauen wirklich so glücklich wären, wenn sie mit Männern um Aufmerksamkeit konkurrieren müssten. Aber solange Frauen nur untereinander um die Aufmerksamkeit der Männer kämpften, war das wohl auch nie ein Thema; erst jetzt, wo Frauen untereinander um die Aufmerksamkeit von Frauen kämpfen, wird das bisherige Konzept des Kampfes um Aufmerksamkeit fragwürdig: Männer werden unsichtbar, da sie weder an dem Verteilungskampf um Aufmerksamkeit teilnehmen noch als Publikum gebraucht werden. Aber dennoch sind Männer in ihren Rollenvorstellungen des 19. Jahrhunderts gefangen.
LG
Madinside
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