an0N_1271801699zWas sagst du dazu
Liebe Julia
Mal ne kleine Geschichte zu deinem Problem. Was sagst du dazu?
Bernies Stöckel-Puppe
Bernie wirft eine Hacke nach der anderen in den kleinen Fluss. Ein paar davon versinken sofort in den Fluten. Die anderen zieht die Strömung mit sich fort. Die Hacken, die er ins Wasser schmeisst, sind die von Brigitte. Sie hatte ihn verlassen und eine eigene Wohnung bezogen. Sie würde ihre Sachen später abholen, hatte sie gesagt.
Kaum war sie weg, räumte er den Schuhschrank aus. Alle anderen Sachen von Brigitte waren ihm gleichgültig, nur nicht die Schuhe mit den hohen Hacken. Sie waren Monstranzen für ihn. Er hatte Brigitte dazu gebracht, Highheels zu tragen, er bettelte auf Knien darum. Sie hatte immer nur flache Schuhe an ihren zierlichen Füssen gehabt. Als sie schon zusammen gezogen waren, machte Brigitte noch lange eine Glaubenssache daraus. Highheels, sagte sie, seien Teufelszeug für die Gesundheit der Füsse und für die Gelenke; zudem seien sie unbequem und nur eine von Männern erdachte und den Frauen aufgezwungene sexistische Folter. Für sie kämen nur flache Schuhe in Frage. Bernie setzte alles daran, um ihre Meinung zu ändern. Er war besessen von hochhackigen Damenschuhen und noch besessener davon, Frauen dazu zu bringen, solche Schuhe zu tragen. Der grazile Gang, der gestraffte Körper, der laszive Hüftschwung, das Klacken der Absätze, die optische Verlängerung der Beine; das alles machte ihn unheimlich geil. Hacken, das war seine Definition von Weiblichkeit, von Erotik, von Verführung. Er hatte Brigitte zur Stöckel-Puppe gemacht, weil er sie nur auf diese Art verehren und anbeten konnte. Geliebt hatte er Brigitte nie. Er konnte gar nicht lieben.
Bernie hatte die Hacken von Brigittes Schuhen allesamt abgesägt: von den Pumps, Sandaletten, Pantoletten, Stiefeln und Stiefeletten. Dann hat er die Stichsäge weggelegt und drei Dosen Bier in sich hineingegossen. Die hohen Absätze hat er in eine grosse Plastiktüte gesteckt. Damit war er aus der Stadt hinausgefahren, in das Wäldchen mit dem Flüsschen.
Er hat Brigittes Widerstand gegen Highheels systematisch gebrochen, indem er sie bei ihrer Eitelkeit packte. Das war die schwache Stelle, wo er mit seiner Obsession erfolgreich ansetzen konnte. Es gelang ihm, Brigitte an die Hacken zu gewöhnen wie einen Hund an das Apportieren. Diese Dressur verschaffte ihm Lustgewinn. Geoutet hat er sich nie. Er kaschierte seinen Fetisch sorgfältig. Die Figur käme in hochhackigen Schuhen viel besser zur Geltung, sagte er zu Brigitte. Sie würde darin femininer wirken und sie würde ihn beim Sex auch viel mehr antörnen. Brigitte empfand den Stöckelzwang als nervige Marotte und hoffte, Bernie würde sie bald ablegen.
Es kostete sie enorme Überwindung, hohe Hacken zu tragen. Seine ewigen Bestürmungen wurde sie irgendwann leid. Zusammen sind sie in ein Schuhgeschäft gegangen. Brigitte probierte unzählige Paare und wurde immer wieder wankelmütig. Solche Schuhe seien nichts für sie. Sie hasse Heels. Dann gingen sie aber trotzdem mit einem Paar nach Hause. Anfangs zierte sich Brigitte, die Stöckel überhaupt anzuziehen. Sie tat es schliesslich doch, beharrte aber darauf, nur in der Wohnung jeweils ein paar Schritte in den Dingern zu gehen, bevor sie miteinander Sex haben würden. Sie tat es aus reiner Liebe zu Bernie.
Bernies Verlangen uferte aus. Sobald Brigitte auf die Stöckel gestiegen war, bekniete er sie, die Schuhe möglichst lange zu tragen. Das Vorspiel zum Sex zog sich denn auch immer länger hin. Brigitte wurde von Bernies Fürsorge, wenn sie in den Highheels steckte, regelrecht überrollt. Er stützte und umhegte sie bei den Gehversuchen im Wohnzimmer, lobte mit überschwänglichen Worten die Fortschritte, die sie machte. Und wenn Brigitte entnervt die Heels in eine Ecke schleuderte, weil sie die Füsse schmerzten, kniete er sofort vor ihr nieder und massierte ausgiebig ihre strapazierten Zehen und Fersen. Brigitte fand allmählich Gefallen an Bernies Bemühungen und deutete diese als Zeichen liebender Zuneigung. Zudem konnte sie dabei herrlich entspannen. Sie hasste Heels zwar noch immer, ging aber von Mal zu Mal länger darin, und Bernie lohnte ihr Stöckeln mit immer ausgiebigeren Massagen der Füsse, Waden und Beine.
Schliesslich wagte Brigitte das Stöckeln auch ausserhalb der Wohnung. Das erste Mal fuhren sie hinaus, in das Wäldchen mit dem Flüsschen. Tapfer stöckelte Brigitte auf dem weichen Naturweg dem Gewässer entlang. Dann setzten sie sich auf eine Bank. Es war ein schwüler Sommerabend. Bernie massierte Brigittes Füsse, Waden und Beine bis ihm der Schweiss in Bächen von der Stirne rann. Beide luden sich dermassen auf, dass sie wie die Kaninchen in ein nahes Gebüsch hoppelten und es dort miteinander trieben. Der beste Sex, den sie je zusammen hatten; da waren sie sich einig.
In einem Liebesrausch warf Brigitte all ihre Birkenstöcke, Sneakers und Flip-Flops fort, kaufte und trug nur noch Schuhe mit acht bis zwölf Zentimeter hohen Absätzen. Es wurden immer mehr. Bald brauchte Brigitte einen eigenen, geräumigen Schuhschrank dafür. Bernie war der glücklichste Mensch. Brigitte schwante aber bald einmal, dass mit dem Bernie etwas nicht stimmen konnte. Sie fühlte sich immer weniger als Frau und immer mehr als hochhackiges Mittel zum Zweck seiner Lust. War sie für Bernie wichtig - oder waren es nur ihre Schuhe? Eine Antwort auf die Frage erhielt sie von Bernie nie. Sie gab sich die Antwort selbst: Ausziehen, Bernie verlassen, für immer.
An dem Flüsschen hält Bernie jetzt die letzte Hacke von Brigittes Schuhen in der Hand. Es ist ein Absatz vom ersten Paar, das sie kauften. Er küsst den Heel, wirft ihn ins Wasser zu den anderen. Brigitte ist tot. Es lebe die neue Stöckelpuppe. Er wird Ausschau halten nach Frauen in flachen Schuhen.
yvesbaum